„… dass jeder körperlich fähige Mann an Sonn & Feiertagen, wenn er Freizeit hat, den Umgang mit Bogen und Pfeil, Kugeln oder Bolzen pflegen und die Kunst des Schießens erlernen und üben soll, es zugleich verboten ist, bei Gefängnisstrafe dem Steinwurf, loggat [eine Art Kegelspiel], Wurfringspiel, Handball, Fußball, Schlägerball, cambuc, Hahnenkämpfen oder anderen eitlen Spielen ohne Wert beizuwohnen oder nachzugehen …“

Erlass des englische König Edward III. vom 1.6.1363

Die ständige Kriegsgefahr mit den benachbarten Franzosen machte es erforderlich binnen kürzester Zeit ein Herr ausheben zu können. Ein englischer Bauer im Mittelalter war also verpflichtet, einen Bogen zu besitzen und wöchentlich mit diesem zu trainieren. Aufgrund der großen Zuggewichte waren das in der Regel Langbögen.
Heute kann der Begriff Langbogen vor allem bei Bogen Neulingen für Verwirrung sorgen. Wie genau definiert sich also so ein

Langbogen – englisch oder nicht…

John Strunk schreibt:
„Wenn man an einen Langbogen denkt, so stellt man sich einen Bogen in Mannesgröße vor, also ca. 180 cm lang und mit tiefem, schmalen Querschnitt. Diese Norm ist im Laufe der Geschichte entstanden und geblieben. Heute sagt man oft, dass ein Langbogen gerade Wurfarmenden hat und seine Sehne von Nocke zu Nocke geht, ohne den Bogen sonst noch zu berühren. Für mich ist diese Definition etwas zu locker.“
Wenn man bei Flemming Alraune, einem dänischen Bogenbauer ließt, kommt vielleicht mehr Licht in diese Diskussion:
„Im Mittelalter unterschied man zwischen einem Lang- oder Handbogen bzw. einem Kurz- oder Querbogen. Crossbow ist der englische Name für eine Armbrust!„

…so wie ihn John Strunk beschrieben hat, Eine Spezialität unter den Langbögen!

Wofür „Langbogen“ noch stehen kann:

Im Geschäft oder bei Turnieren findest du mit Fieberglas laminierte Langbögen mit wunderschönen, manchmal recht aufwändig gefertigten Griffstücken.
Bei Turnieren steht der Begriff Langbogen für eine Turnierklasse und die notwendige Abgrenzung zu den „schnelleren“ Recurve Bögen. Die Unterscheidung liegt dabei auf einem winzigen Detail – Ein Langbogen gilt dann als Recurvebogen, wenn seine Sehne im aufgespannten Ruhezustand an den Wurfarmen anliegt!

Recurvebögen

Beim Bogen unten haben wir auf Wunsch meines Kursteilnehmers an den Enden einen statischen Recurve eingedämpft, aber nur genau so viel, dass die Sehen nicht am Bogenbauch anliegt und er somit bei einem Turnier auch in der entsprechenden Primitiv – Klasse antreten dürfte.
Recurves haben Vorteile, sie machen den Bogen im Endauszug weicher und zugleich beschleunigen sie den Pfeil, kurz bevor dieser die Sehne verlässt.

Es gibt noch zwei Details, in denen sich dieser wunderschöne Langbogen von seinen mittelalterlichen Vorbildern unterscheidet:

  • Zur höheren Zielgenauigkeit hat der Bogen einen „starren Griff“ bekommen!
  • Der Bogen wurde mit einem Bambus Backing versehen.

Heute bauen wir Bögen meist für eine entspannte Nachmittagsrunde durch den nächstgelegenen 3D Parcours. Dort wollen wir auf 30 oder 40 Meter Distanz einen Blattschuss platzieren. Die Mittelalterlichen Bögen der englischen Bowmen mussten das nicht können. Sie waren dazu angetan, dicke schwere Pfeile, welche die massiven Kettenhemden der Französischen Landsknechte durchschlugen, zu werfen. Zielgenauigkeit war dabei nicht so gefragt wie Heute. Es galt viel mehr, möglichst viele Pfeile in kurzer Zeit & flächendeckend über den Gegner regnen zu lassen. Die Bögen waren sogenannte Strongbows & hatten Zuggewichte von 130 Pfund aufwärts. Damit ein Holzstab solch hohe Zuggewichte aushalten konnte, (heute schiessen wir leichtere Zuggewichte zwischen 25 und 60 Pfund) musste jeder Zentimeter des Holzes zur Speicherung der kinetischen Energie verwendet werden. Ein starrer, also unbeweglicher Griff war dazu nicht geeignet und so wurde entweder gar kein Griff ausgeformt, und weiches Material unter dem Griffleder aufgedoppelt, oder ein rundliches Griffdesign verwendet.

Flachbögen

Auf dem linken Bild siehst du so einen „englischen“ Langbogen aus Eibe. Genau wie ihn John Strunk beschreibt, ist der tiefe schmale Querschnitt und auch die runde Griffform gut sichtbar. Das Bild rechts dagegen zeigt einen aus Esche gebauten Flachbogen mit starrem Griff. Die verschiedenen Bogenhölzer haben unterschiedliche Eigenschaften, Fähigkeiten und Defizite. Eibe und bis zu einem gewissen grad auch die Ulme sind Bogenhölzer mit einem „zugstabilen Splint“ und ihr Kernholz ist sehr Druckstabil. Dies ermöglicht die Herstellung von Bögen mit dem für den englischen Langbogen typischen schmalen Querschnitt. Laubhölzer wie Esche oder Robinie hingegen haben keine so hohe Druckstabilität und müssen daher mit einem breiten und dafür dünneren Querschnitt hergestellt werden. Diese und auch die Flatbows der Nordamerikanischen Plains Indianer bilden im traditionellen Bogenbau also so etwas wie eine eigene Kategorie unter den historischen Langbögen.
Auch das Klima in dem so ein Bogen verwendet oder geschossen wurde, hatte möglicherweise eine Einfluss auf die Form des Querschnittes.
Ulrich Stehli schreibt:
„Bögen mit flachem Querschnitt sind unempfindlicher gegen niedrige Temperaturen. Die Eibenbögen vom Schweizer Lötschenpass, die auf das Ende der Jungsteinzeit & den Übergang in die Bronzezeit datiert werden stellen eindeutig Flachbögen dar!“  
und weiter schreibt er:  
„Die aus den südlichen Regionen stammenden europäischen Steinzeitbögen weisen im großen und ganzen hohe, teilweise langbogenähnliche und gerundete Querschnitte auf. In den nördlichen Gebieten waren eher flache Querschnitte üblich.“

Diese 2 wunderschönen Flachbögen aus Esche (der linke wurde dunkel gebeizt) sind in einem meiner Kurse entstanden. Beim dunkleren sieht man wie wir beim Bauen dem Faserverlauf des Holzes gefolgt sind. Wenn sich die Faser eines Bogens so dahinwindet sprechen wir von einem sogenannten Snake Bow. Die beiden Bögen stammen übrigens trotz ihrer unterschiedlichen Form aus dem selben Baum.